Brand Jacking: Angriff auf die Markenidentität
Marken leben von Vertrauen. Doch im digitalen Raum wird dieses Vertrauen zunehmend zur Zielscheibe. Immer häufiger kidnappen Dritte den Namen, das Logo oder den Onlineauftritt eines Unternehmens, um daraus Kapital zu schlagen. Die Methode dahinter trägt einen Namen: Brand Jacking.
Gemeint ist die gezielte Übernahme oder Imitation einer Marke im Internet, um vom aufgebauten Markenwert zu profitieren oder einer Marke gezielt zu schaden. Das kann so harmlos beginnen wie eine gefälschte Instagram-Seite, die vermeintlich offizielle Inhalte teilt, und so drastisch enden wie die Sperrung ganzer Produktlinien auf großen Handelsplattformen.
Wer seine Marke nicht aktiv schützt, riskiert, dass Algorithmen, Suchmaschinen oder Plattformprozesse plötzlich gegen ihn arbeiten und die eigene Markenidentität in fremde Hände gerät.
Brand Jacking ist kein Einzelfall
Wie groß das Problem bereits ist, zeigen aktuelle Erhebungen: Laut einer Untersuchung des Technologieunternehmens Smart Protection waren vier von fünf Unternehmen bereits einmal von Markenmissbrauch oder Produktfälschungen betroffen (Smart Protection, 2023). Zu denken, nur die etabliertesten oder bekanntesten Marken seien anfällig für einen solchen Markenmissbrauch, sei dabei ein gefährlicher Trugschluss, so die Wissenschaftler:innen. Denn auch KMU müssen sich dringend vor Brand Jacking schützen.
Was hinter dem Begriff Brand Jacking steckt
Der Ausdruck kombiniert Brand (Marke) und Hijacking (Entführung). Anders als klassische Produktpiraterie geht es hier nicht um den Nachbau physischer Waren, sondern um die Übernahme der digitalen Identität einer Marke. Ziel ist es, Vertrauen zu stehlen – nicht Produkte.
Das kann auf sehr unterschiedliche Weise geschehen:
- durch die Anmeldung identischer oder verwechslungsfähiger Markenrechte,
- durch täuschend echte Social-Media-Profile,
- durch Domain- oder Suchmaschinen-Manipulationen oder
- durch automatisierte Angriffe auf Plattformen wie Amazon oder eBay.
Das Ergebnis bleibt in jedem Fall dasselbe: Kund:innen werden verunsichert, Umsätze brechen ein und die Glaubwürdigkeit der zuvor sorgsam aufgebauten Marke leidet massiv.
Wie sieht ein Brand-Jacking-Angriff in der Praxis aus?
Wie konkret Brand Jacking ablaufen kann, zeigt der Fall eines mittelständischen Unternehmens, das seit vielen Jahren erfolgreich über Onlinemarktplätze verkauft. Eines Morgens erhielt die Geschäftsführung eine automatisierte Nachricht: Mehrere Produkte seien auf Amazon gesperrt worden, da ein anderer Anbieter Markenrechte geltend mache. Die Frist zur Klärung: mickrige drei Tage.
Was zunächst nach einem Systemfehler aussah, entpuppte sich als gezielter Angriff. Eine ausländische Briefkastenfirma hatte denselben Markennamen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) neu registrieren lassen – obwohl die Marke bereits beim europäischen Amt (European Union Intellectual Property Office, EUIPO) geschützt war. Drei Wochen nach der Eintragung informierte der vermeintliche Markeninhaber die Handelsplattform, die daraufhin automatisiert reagierte und sämtliche betroffenen Produkte blockierte.
Brand Jacking kostete Geld, Reputation und Nerven
Die Folgen des Brand Jackings waren für das Unternehmen schmerzhaft: Umsatzverluste von rund 5.000 Euro pro Tag, Rankingverluste im Algorithmus, Kommunikationsaufwand mit der Plattform und erhebliche Anwaltskosten. Bis alle Nachweise geprüft und die Sperrungen aufgehoben waren, vergingen fast drei Wochen; Zeit, in der Wettbewerber die entstandene Marktlücke für sich nutzten.
Warum konnte die Marke so leicht „gekidnappt“ werden?
Das Unternehmen hatte seine Marke zwar korrekt eingetragen, allerdings nur in einzelnen Produktklassen. Diese scheinbar kleine Lücke machte das Brand Jacking erst möglich. Heute sind sämtliche Klassen nachregistriert – eine kostspielige, aber notwendige Maßnahme und Lehre.
Der Fall verdeutlicht: Brand Jacking ist kein hypothetisches, sondern ein reales Geschäftsrisiko. Es entsteht dort, wo automatisierte Prozesse über Reputation und Umsatz entscheiden – und wo Verkaufsplattformen Algorithmen statt Menschen urteilen lassen.
Brand Jacking als Stresstest für die Markenidentität
Brand Jacking ist kein Randthema für Jurist:innen oder IT-Abteilungen. Es betrifft das Herzstück jeder Marke: ihre Glaubwürdigkeit. Wer seine Markenführung ernstnimmt, muss sie heute ebenso strategisch absichern wie gestalten. Denn der Angriff auf eine Marke ist immer auch ein Angriff auf das Vertrauen, das sie über Jahre aufgebaut hat.
Wenn Algorithmen über Markenrechte entscheiden
Das Problem: Digitale Plattformen reagieren nicht nach gesundem Menschenverstand, sondern nach automatisierten Regeln. Wird eine Marke doppelt registriert, erkennen Systeme wie Amazon oder eBay nicht, wer tatsächlich im Recht ist. Sie sperren Produkte, löschen Angebote oder blockieren Konten, lange bevor eine rechtliche Klärung möglich ist.
Diese Logik macht Plattformen zu Risikozonen: Ein unvollständiger Markenschutz, eine nicht aktualisierte Registrierung oder ein verspäteter Widerspruch kann genügen, um einen Brand-Jacking-Fall auszulösen. Und selbst wenn die eigene Marke am Ende siegt, bleibt der Schaden im Ranking, in der Sichtbarkeit und im Vertrauen der Kund:innen.
Recht haben allein reicht nicht
Viele Unternehmen verlassen sich darauf, dass eine eingetragene Marke automatisch Sicherheit bedeutet. In der Praxis ist das zu kurz gedacht. Der rechtliche Schutz ist nur so stark wie die Prozesse, die ihn flankieren. Marken müssen aktiv gepflegt, überwacht und im digitalen Raum verteidigt werden. Dazu gehört, dass Rechtsabteilungen, Marketing und Kommunikation eng zusammenarbeiten.
Neue Dynamiken durch künstliche Intelligenz
Die jüngsten Entwicklungen im Bereich generativer KI verschärfen die Lage zusätzlich. Mit wenigen Klicks lassen sich heute täuschend echte Markenauftritte, Logos oder Werbemotive erstellen. Und das inklusive passender Bildsprache und Tonalität. Damit entstehen neue Formen des digitalen Markenmissbrauchs: Deepfakes, gefälschte Kampagnen oder manipulierte Kundenkommunikation.
Was früher für die Betrüger:innen noch enormen Aufwand bedeutete, ist heute automatisierbar. Die Einstiegshürde für Betrug sinkt, das Risiko für Unternehmen steigt. Und selbst wenn der Angriff schnell erkannt wird, bleibt ein wirtschaftlicher und kommunikativer Schaden.
Strukturen, die Marken widerstandsfähig machen
Die reale Gefahr des Brand Jackings zwingt Unternehmen, Markenführung neu zu denken. Es geht nicht nur um Schutzmechanismen, sondern um Strukturen, die Marken widerstandsfähig machen. Wer seine Marke strategisch steuern will, braucht klare Zuständigkeiten, regelmäßige Risikoanalysen und eine enge Abstimmung zwischen Recht, Kommunikation und IT. Denn echte Markenresilienz entsteht nur dort, wo Prävention, Reaktion und Kommunikation als Einheit gedacht werden.
Wie sich Marken vor Brand Jacking schützen können
Brand Jacking kann niemand vollständig verhindern, aber die Risiken lassen sich deutlich reduzieren. Entscheidend ist ein Zusammenspiel aus vorausschauendem Markenschutz, digitalem Monitoring und klar definierten Reaktionsprozessen.
1. Markenschutz strategisch erweitern
Viele Unternehmen sichern ihre Marke nur in den Produkt- oder Dienstleistungsklassen, in denen sie ursprünglich aktiv waren. Doch Marken entwickeln sich weiter: neue Segmente, neue Länder, neue Vertriebswege.
Ein moderner Markenschutz denkt diese Entwicklung mit. Das bedeutet: rechtzeitig prüfen, ob zusätzliche Klassen, internationale Registrierungen oder digitale Schutzrechte nötig sind.
2. Digitale Präsenz kontinuierlich überwachen
Ob Social Media, Marktplatz oder Suchmaschine: Wer sichtbar ist, muss wissen, wo seine Marke auftaucht. Tools für Social Listening, Domain-Monitoring oder Keyword-Tracking sind Frühwarnsignale, wenn Dritte den eigenen Markennamen verwenden.
Auch einfache Routinen, wie das regelmäßige Überprüfen neuer Markenanmeldungen beim DPMA oder EUIPO, können helfen, Probleme zu erkennen, bevor sie großen Schaden verursachen.
3. Klare Prozesse für den Ernstfall definieren
Wenn ein Brand-Jacking-Angriff erfolgt, entscheidet Schnelligkeit. Unternehmen sollten vorher festlegen, wer intern reagiert, welche Schritte juristisch notwendig sind und wie im Schadenfall kommuniziert wird.
Praxistipp: Ein festgelegter Ablaufplan – mit Ansprechpersonen aus Recht, Kommunikation und IT – verkürzt Reaktionszeiten und verhindert, dass Entscheidungsprozesse in der Krise ins Stocken geraten.
4. Kommunikation als Schutzinstrument nutzen
Markenschutz ist nicht nur eine Frage des Rechts, sondern auch der Wahrnehmung. Eine klare, konsistente Kommunikation über alle Kanäle stärkt das Vertrauen in die Echtheit der eigenen Marke.
Wenn es dennoch zu einem Zwischenfall kommt, gilt: Transparenz schafft Vertrauen. Kund:innen reagieren positiver auf eine Marke, die offen über Angriffe informiert, als auf eine, die schweigt.
Die neue Pflicht der Markenführung
Brand Jacking zeigt, wie schmal die Grenze zwischen digitaler Präsenz und Kontrollverlust geworden ist. Marken, die das verstehen, entwickeln einen neuen Reflex: Sie denken Schutz mit, bevor ein Schaden entsteht. Denn Resilienz ist kein Produkt des Zufalls, sondern das Ergebnis guter Vorbereitung und klarer Zuständigkeiten.
Am Ende geht es wie so oft um Haltung: Eine starke Marke erkennt, dass ihr Wert nicht nur in ihrem Image liegt, sondern in der Fähigkeit, integer zu bleiben, selbst wenn andere sie für sich beanspruchen wollen.
Was die Counterpart Group für Sie tun kann
Unser Team unterstützt Unternehmen dabei, Marken gezielt in ihrer Wahrnehmung, in ihrer Kommunikation und in ihrer Widerstandsfähigkeit zu stärken. Dafür entwickeln wir Strategien mit klarer Positionierung und konsistenten Botschaften.
Klar: Wir sind keine Rechtsberatung. Aber wir sind eine Markenagentur mit tiefem Verständnis für Kommunikation im digitalen Raum. Unser Ziel ist es, Risiken früh zu erkennen, Handlungsspielräume zu sichern und Marken so zu führen und auszubauen, dass sie auch in herausfordernden Situationen Vertrauen ausstrahlen.
Gerade im Bereich Krisen- und Reputationsmanagement profitieren Sie mit uns an Ihrer Seite von der Expertise unserer PR-Unit Public Affairs: Unsere PR-Spezialist:innen bereiten gemeinsam mit Ihnen Ablaufpläne und Kommunikationskaskaden für den Ernstfall vor – damit Sie im entscheidenden Moment schnell, abgestimmt und souverän reagieren können.
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Verfasst von unserer Expertin Sonja